„Fachkräftemangel in der Bildung: Chancen und Perspektiven"
Das Bildungspolitische Forum 2024 fand am 11. Oktober 2024 in der Vertretung des Landes Baden-Württemberg, Tiergartenstraße 15, Berlin als Präsenzveranstaltung statt. Ausgewählte Programmteile sind auf YouTube verfügbar.
Moderiert wurde die Veranstaltung durch Armin Himmelrath (Der Spiegel).
Das Leibniz-Forschungsnetzwerk Bildungspotenziale veröffentlichte im Rahmen des diesjährigen Bildungspolitischen Forums erneut ein Positionspapier: Zum Positionspapier
Inhaltlich verantwortliche Mitglieder des Leibniz-Forschungsnetzwerks Bildungspotenziale (LERN):
DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
BiB | Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung
DIE | Deutsches Institut für Erwachsenenbildung – Leibniz-Zentrum für Lebenslanges Lernen
Einführung ins Thema
Fachkräfte fehlen überall – was ist im Bildungsbereich so spezifisch?
Prof. Dr. C. Katharina Spieß
Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Der demografische Wandel in Deutschland bringt es mit sich, dass der Anteil der Personen im erwerbsfähigen Alter seit vielen Jahren und auch künftig immer weiter abnehmen wird. Dieser Trend, der keinesfalls alle europäischen Länder betrifft, wird – so die Prognosen – zu einem weiter sinkenden Arbeitsvolumen führen. Dabei sind einzelne Wirtschaftsbereiche besonders von dem damit verbundenen Fachkräftemangel betroffen. Zu diesen Bereichen gehört der Bildungsbereich. Dies ist umso bemerkenswerter, da eine von vielen Maßnahmen, die diskutiert wird, um dem abnehmenden Erwerbspersonenpotential zu begegnen, verstärkte Anstrengungen im Bereich der Aus- und Weiterbildung sind. Doch auch hier fehlen Fachkräfte. Wie sich die Prognosen in Hinblick auf die Entwicklung des Erwerbspersonenpotentials darstellen und mit welchen Maßnahmen diesem Trend begegnet werden kann, wird in einem ersten Teil der Einführung in das Thema dargestellt. In einem zweiten Teil werden Spezifika der unterschiedlichen Bildungsbereiche diskutiert. Es werden Unterschiede und Gemeinsamkeiten der einzelnen Bereiche skizziert und auch hier grundsätzliche Lösungsansätze kurz umrissen, die im Kontext dieser Herausforderung diskutiert werden.
Keynote
Fachkräftemangel in der Bildung: Chancen und Perspektiven unter besonderer Berücksichtigung der Lehrkräfte
Prof. Dr. Isabell van Ackeren-Mindl
Universität Duisburg-Essen
Der anhaltende Mangel an qualifiziertem pädagogischem Personal stellt eine große Herausforderung für das Bildungswesen und seine Qualität dar. Der Beitrag widmet sich diesem Thema unter besonderer Berücksichtigung des Gutachtens der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission (SWK) zur „Lehrkräftegewinnung und Lehrkräftebildung für einen hochwertigen Unterricht“ sowie weiterer Empfehlungslinien der Kommission in diesem Zusammenhang. Von Interesse ist dabei exemplarisch nachzuvollziehen und zu diskutieren, wie die Empfehlungen auf verschiedenen Ebenen des Bildungssystems und durch verschiedene institutionelle Akteure der unterschiedlichen Phasen der Lehrkräftebildung rezipiert und gegebenenfalls schon in Strukturen und Prozessen aufgegriffen oder auch gezielt abgelehnt wurden, aber auch wie sich Reichweite und Wirksamkeit solcher Empfehlungen grundsätzlich erfassen lassen. Exemplarisch wird auch auf internationale Diskussionen zur Mangelsituation – auch im Hinblick auf die Situation in Deutschland, die durchaus wahrgenommen wird – sowie auf ausgewählte Ansätze geschaut: etwa zu Strategien der Rekrutierung von im Ausland qualifizierten Lehrkräften, zu First Generation Students oder auch zur Rolle der Digitalisierung. Der Blick über die Grenzen zeigt schließlich auch, dass die Art und Weise der Expertenberatung zur Bildungspolitik in Deutschland und entsprechende Kommunikations- und Verhandlungsstrukturen unter dem Stichwort ‚education policy advice‘ international zunehmend Beachtung finden.
Forum I
Frühe Bildung
Leitung: Prof. Dr. C. Katharina Spieß
Direktorin des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung (BiB) und Johannes Gutenberg-Universität Mainz
gemeinsam mit
Leonie Weber
Bundesinstitut für Bevölkerungsforschung (BiB)
Auch im Bereich der frühen Bildung fehlen in großem Ausmaß Fachkräfte. Zunehmend wird deutlich, dass dieser Mangel zum Hemmschuh für eine weitere Entwicklung dieses Bildungs- und Betreuungsbereichs wird. Und dies vor dem Hintergrund, dass das System der frühen Bildung ohnehin mit weiteren Herausforderungen konfrontiert ist, die eigentlich mehr Personal notwendig machen, wenn z.B. daran gedacht wird, dass die Bedarfe von Kindern und Familien immer vielfältiger werden. Gleichwohl es in den letzten Jahren zu einem erheblichen Personalzuwachs kam, könnten im Jahr 2030 in Kitas zwischen 50.000 und 90.000 Fachkräfte fehlen. Insbesondere Einrichtungen in Westdeutschland werden davon betroffen sein. Damit kann der Bereich der Kindertagesbetreuung seinen Aufgaben nur noch bedingt gerecht werden: Eine pädagogisch gute Förderung von Kindern und eine Unterstützung von Eltern bei der Vereinbarkeit von Familien- und Erwerbsarbeit kann nur noch mit Abstrichen gewährleistet werden. Auch andere positive Effekte, welche mit einer guten Kita-Infrastruktur verbunden sind, können nicht in vollem Umfang realisiert werden. Hinzu kommt, dass die in den Einrichtungen Beschäftigten aufgrund des Mangels vielfach überlastet sind und teilweise ausfallen oder aus dem Beruf aussteigen, was den Mangel noch verstärkt. Dieser Mangel hat auch auf andere Bereiche erhebliche Konsequenzen: Durch ihn können insbesondere Mütter ihre Erwerbswünsche teilweise nicht in vollem Umfang realisieren, was wiederum den Fachkräftemangel in anderen Bereichen erhöht. Darüber hinaus können die Potentiale einer frühen Bildung nicht genutzt werden – dies trägt weiter zu einem Fachkräftemangel der Zukunft bei. Vor diesem Hintergrund wird im Forum aufbauend auf einer aktuellen Bestandsaufnahme besprochen, was dieser Mangel für Kinder, Eltern und Einrichtungen bedeutet. Ansatzpunkte, wie mehr Menschen für dieses Berufsfeld gewonnen werden können, sollen in einem weiteren Teil des Forums bewertet werden. Dabei geht es auch darum, zu eruieren, wie reformwillig dieser Bereich ist, um schnelle und effektive Vorschläge zur Gewinnung von mehr Fachkräften umzusetzen. Es diskutieren Vertreter aus der Wissenschaft, der Politik und der Praxis.
Forum II
Schulische Bildung
Leitung: Prof. Dr. Kai Maaz
Geschäftsführender Direktor des DIPF | Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation
Der aktuelle Bildungsbericht hat den Personalmangel in den Schulen und die Reaktion der Länder darauf noch einmal deutlich gemacht. Es fehlen nicht nur Fachlehrkräfte, auch fehlt es an Personal für einen qualitätsvollen Ganztag. Bundesweit haben 12% der Neueinstellungen keine vollständige Lehramtsausbildung absolviert, in einigen Ländern sind es sogar mehr als 50%. Damit liegen zwei Herausforderungen auf der Hand, die miteinander verbunden sind und in diesem Forum thematisiert werden: Personalrekrutierung und Qualitätssicherung. Dabei wird oft eine dritte Komponente vergessen, die die beiden ersten ergänzt und im Forum diskutiert werden soll. Ressourcen frei machen durch eine Veränderung in der Art und Weise, wie Schule und Unterricht gestaltet wird. Das meint die konsequente Nutzung digitaler Technologien in allen schulischen Kontexten, aber auch die kluge Ressourcenverteilung verschiedener Professionen, die auch nicht nur auf eine Schule bezogen bleiben dürfen. Damit werden Aktivitäten der Rekrutierung nicht infrage gestellt, aber sie können mit zum Teil vorhandenem Personal konzeptionell erweitert werden. Das setzt auch Mut und Experimentierfreude voraus, die aber wissenschaftlich begleitet werden muss. Das Forum möchte daher den Blick für neue und vielleicht auch unkonventionelle Wege im Umgang mit dem Fachkräftemangel öffnen.
Forum III
Erwachsenenbildung/Weiterbildung
Leitung: Prof. Dr. Josef Schrader
Wissenschaftlicher Direktor des Deutschen Zentrums für Erwachsenenbildung - Leibniz-Institut für Lebenslanges Lernen
Nach Jahrzehnten der Expansion steht inzwischen auch die Erwachsenen- und Weiterbildung vor einem Fachkräftemangel. Dieser ist zunächst bei den Festangestellten in Einrichtungen und Unternehmen, mehr aber noch bei mehr als einer Million Beschäftigten zu konstatieren, die lehrend trainierend oder beratend tätig sind und zumeist neben- oder freiberuflich arbeiten. Hier wirkt die Corona-Pandemie mit ihren Einbrüchen im Weiterbildungsangebot nach, so dass viele Lehrkräfte bessere Beschäftigungsbedingungen außerhalb der Weiterbildung gesucht haben. Diese Bedinungen in Bezug auf Bezhalung und Sicherheit nachhaltig zu verbessern wäre eine wichtige Aufgabe der Weiterbildungspolitik, die allerdings auf mehrere Steuerungsebenen und Ressorts verteilt ist. Kurzfristig bieten aber auch wissenschaftlich fundierte, niedrigschwellige, zeit- und ortsunabhängig sowie berufsbegleitend nutzbare und zertifizierbare Fortbildungsangebote eine Möglichkeit, die Attraktivität des Weiterbildungsmarktes zu steigern. Das Forum stellt zunächst empirische Befunden zum Fachkräftemangel, zu Rekrutierungsstrategien und zu Fortbildungsbereitschaft vor. Anschließend werden übergreifende Infrastrukturen für Fortbildung und Kompetenzanerkennung vorgestellt und mit Vertretern von Praxis und Politik diskutiert.
Forum IV
Mehr Personal durch mehr Diversität?
Leitung: Prof. Dr. Mareike Kunter
DIPF | Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
Eine Möglichkeit, dem Fachkräftemangel im Bildungsbereich zu begegnen, ist es, Personen aus bisher unterrepräsentierten Gruppen für eine Tätigkeit im Bildungsbereich zu gewinnen. So wird beispielsweise gefordert, im Primar- und Elementarbereich vermehrt Männer zu gewinnen, oder Personen mit Zuwanderungsgeschichte für das Lehramt. Hierbei müssen auch formale Hürden berücksichtigt werden, wie beispielsweise die Anerkennung von im Ausland erworbenen Abschlüssen. Zudem ist es wichtig, die Bedingungen und Faktoren zu verstehen, die in den unterrepräsentierten Gruppen zu einem Abbruch der Ausbildung oder der Berufsausübung führen können. In diesem Forum werden Maßnahmen diskutiert, die gewinnbringend erscheinen, aber auch Herausforderungen und Wissenslücken diskutiert.
Forum V
Qualitätssicherung in Schulen und Lehrkräftebildung
Leitung: Prof. Dr. Rebecca Lazarides
Universität Potsdam, Excellenzcluster „Science of Intelligence" & Technische Universität Berlin
Die Ergebnisse internationaler Leistungsvergleichsstudien wie PISA oder IGLU zeigen, dass sich die durchschnittlichen Kompetenzen von Schülerinnen und Schüler in Deutschland im Vergleich zu vorherigen Erhebungen verringert haben. Das Forum V „Qualitätssicherung in Schulen und Lehrkräftebildung“ des Bildungspolitischen Forums des Leibniz-Forschungsnetzwerks Bildungspotenziale befasst sich vor diesem Hintergrund mit Fragen der Qualitätssicherung in Schulen und in der Lehrkräftebildung ein. Neben Chancen des Bildungsmonitorings diskutieren wir unter anderem die Bedeutung der Etablierung alternativer Wege zum Beruf der Lehrkraft für Schul- und Unterrichtsqualität. Das Forum führt multiple Perspektiven aus Bildungsforschung, Bildungspolitik und schulischer Bildungspraxis auf Fragen der Qualitätssicherung in Schulen zusammen.